Brief des Vorstands
Liebe Aktionärinnen, liebe Aktionäre,
liebe Freunde des Unternehmens,
das abgelaufene Geschäftsjahr war einschneidend für unser Unternehmen. Nachdem wir 2021/22 das beste Ergebnis der Unternehmensgeschichte erzielt und viele strategische Projekte erfolgreich auf den Weg gebracht hatten, sahen wir uns im Geschäftsjahr 2022/23 mit besonderen Herausforderungen konfrontiert: einem Cyber-Angriff auf unsere IT-Systeme im Herbst 2022, den wir ohne negativen Einfluss auf unser Geschäft erfolgreich abwehren konnten, gefolgt von einem schweren Arbeitsunfall im Werk Hamburg im Mai 2023, bei dem drei Mitarbeiter tödlich verunglückten und der eine Welle der Bestürzung bei unseren Mitarbeitern aber auch bei vielen Geschäftspartnern von Aurubis auslöste, und mit gegen Aurubis gerichteten kriminellen Handlungen, über die wir im Juni 2023 berichtet haben. Dass unser Unternehmen dennoch weiterhin gut dasteht und seine Strategie unverändert fortsetzen kann, liegt insbesondere an drei Gründen:
Erstens: Wir haben hoch motivierte und loyale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihr Engagement und Einsatz für unser Unternehmen zeigt sich in den aktuellen Krisen besonders eindrucksvoll. Sie verdienen unser Vertrauen und ihnen gilt unser ausdrücklicher Dank. Zweitens: Mit unseren Produkten und Metallen sind wir sehr gut positioniert und bedienen Märkte, die ein enormes Wachstumspotenzial aufweisen. Unsere Erzeugnisse sind elementar für die Energiewende. Sie bilden die Basis für die Transformation hin zu einer nachhaltig agierenden Gesellschaft. Und drittens: Wir haben ein grundsolides Geschäftsmodell mit verschiedenen, teilweise komplementären Ergebnistreibern. Dieses Geschäftsmodell werden wir auf dem soliden finanziellen Fundament konsequent weiterentwickeln und ausbauen.
Gleichzeitig verdeutlichen uns die Vorkommnisse des abgelaufenen Geschäftsjahres schmerzhaft: Bei Arbeits- und Werkssicherheit sind wir, trotz großer Fortschritte in den letzten Jahren, noch nicht auf dem Niveau, das unseren Ansprüchen genügt. Unser klares Ziel ist: null Unfälle. Daher steht für uns die Sicherheit am Arbeitsplatz stets an erster Stelle. So sind Unfälle für uns Anlass und Antreiber zugleich, Bestehendes zu prüfen, wo nötig zu verbessern und Bewährtes zu intensivieren. Im Nachgang des Unfalls wurden viele Sofortmaßnahmen umgesetzt, die insbesondere Sicherheitsabläufe, den Umgang mit gefährlichen Gasen, die Arbeitssicherheitsdokumentation und entsprechende Schulung umfassten. Darüber hinaus arbeiten wir aktiv daran, unsere Sicherheitskultur weiterzuentwickeln. Wir nutzen hierfür zusätzlich das Know-how einer international renommierten Beratung. Denn wir wollen und werden gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine nachhaltige und einheitlichere Sicherheitskultur für Aurubis schaffen. So nutzen wir die aktuell herausfordernde Situation als Chance, besser und gestärkter in die Zukunft zu gehen.
Stärken werden wir auch unsere Werkssicherheit. Aurubis ist im abgelaufenen Geschäftsjahr das Ziel von kriminellen Handlungen geworden, welche zu einem hohen Fehlbestand an Edelmetallen führten, der 2022/23 ergebniswirksam berücksichtigt wurde. In enger Abstimmung mit renommierten externen Beratern, und Behörden arbeiten wir intensiv an der Aufklärung der gegen Aurubis gerichteten kriminellen Handlungen. Gleichzeitig verbessern wir unsere Prozesse, machen sie wirkungsvoller und resilienter. Kurzfristig gehören dazu Maßnahmen wie die weitere Einschränkung von Zugangsberechtigungen für sensible Bereiche, insbesondere bei der Probenahme, verstärkte Personen- und Fahrzeugkontrollen, eine umfangreichere Videoüberwachung, eine detailliertere Dokumentation von Prozessen und eine intensivere Überprüfung ausgewählter Lieferanten. Mittelfristig werden wir durch bauliche Maßnahmen in den Produktionsbereichen für Edelmetall neue Maßstäbe setzen. Gleichzeitig werden wir noch stärker die Errungenschaften unserer Digital Factory nutzen, um beispielsweise mit digitalen Zwillingen unseres Hüttennetzwerks die Stoffströme simultan nachvollziehen zu können. So setzen wir alle Hebel in Bewegung, den Führungsanspruch in unserer Branche auch in den Bereichen der Arbeits- und Werkssicherheit durchzusetzen – zum Wohle aller Stakeholder.
„Mit unseren Produkten und Metallen sind wir sehr gut positioniert und bedienen Märkte, die ein enormes Wachstumspotenzial aufweisen.“
— Roland Harings, CEO
Fest steht, wir werden weiter investieren – in unser Kerngeschäft, in Verbesserungen und in Wachstum. Dazu zählt der im Juni 2023 erfolgreich durchgeführte Wartungsstillstand in unserem bulgarischen Werk, bei dem wir in Instandhaltung und Erweiterung investiert haben, genauso wie die weitere Umsetzung unserer Strategie. Die im Geschäftsjahr und bis zum Ende des Kalenderjahres 2023 genehmigten Investitionen umfassen in unserem Stammwerk in Hamburg das Projekt Complex Recycling Hamburg (CRH), die Mittel für wasserstofffähige Anodenöfen, die Ausbaustufe für unser Projekt Reduzierung Diffuser Emissionen (RDE) sowie die Edelmetallverarbeitung, das zweite Modul unseres Recyclingwerks Aurubis Richmond im US-Bundesstaat Georgia sowie im bulgarischen Pirdop den deutlichen Ausbau unserer Photovoltaikanlagen, die 50 %ige Kapazitätserweiterung der Elektrolyse sowie ein Projekt zur Schlackenbehandlung, welches zur Verbesserung des Umweltschutzes beiträgt und gleichzeitig unser Metallausbringen erhöht. Mit Aurubis Richmond in Georgia errichten wir die erste Sekundärhütte in den USA für komplexe Recyclingmaterialien. Nachdem wir Mitte 2022 mit den Bauarbeiten begonnen haben, schreitet das Projekt mit großen Schritten voran. Die erste Stufe der Anlage werden wir in der zweiten Jahreshälfte 2024 in Betrieb nehmen, die zweite Stufe dann 2026.
„Sicherheit kann nicht nur eine Priorität sein, sondern muss ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Unternehmenskultur werden.“
— Dr. Heiko Arnold, COO
Im bestehenden Kerngeschäft planen wir zudem den nächsten großen Wartungsstillstand unseres Hamburger Werks für das Frühjahr 2024. Hier investieren wir in den eigentlichen Stillstand sowie die Ausbaustufe unserer Industriewärme und die bereits erwähnten Anodenöfen. Mit der zweiten Phase unseres Industriewärmeprojekts werden wir bis zu 20.000 zusätzliche Haushalte in Hamburg mit CO2-freier Wärme versorgen und damit in der Stadt Hamburg zusätzlich bis zu 100.000 t CO2 pro Jahr einsparen. Gleichzeitig wird unser Hamburger Werk eine der ersten Kupferhütten weltweit, die für den Reduktionsprozess Wasserstoff statt Erdgas im Anodenofen einsetzen kann. Diese Beispiele verdeutlichen die Fortschritte in der Dekarbonisierung unseres Unternehmens. Wir werden weiter große Anstrengungen in Forschung und Entwicklung unternehmen, um unser Ziel, deutlich vor 2050 klimaneutral zu wirtschaften, zu erreichen.
Auch in unserem Multimetall-Portfolio entwickeln wir neue Möglichkeiten für Aurubis. Im Fokus steht das wertvolle Element Lithium. Um dieses künftig im industriellen Maßstab wiederzugewinnen, forschen wir intensiv am Recycling von Altbatterien. Die 1,5 Jahre Testbetrieb unserer Pilotanlage haben bestätigt: Der von Aurubis entwickelte und patentierte Prozess funktioniert. Wir gewinnen rund 95 % der Metalle aus der Schwarzmasse zurück. Dieser werthaltige Kern der Altbatterien beinhaltet neben Lithium auch Nickel, Kobalt, Mangan oder Grafit – Elemente, die insbesondere in Bezug auf die Elektromobilität strategisch von höchstem Interesse sind. Nach dem Erfolg des Pilotwerks nehmen wir im Frühjahr 2024 unsere Demonstrationsanlage in Betrieb, die einen entscheidenden Schritt hin zur industriellen Anwendung unseres Prozesses darstellt.
Die Übersicht der Projektlandschaft zeigt: Aurubis wächst. Und das an bestehenden und neuen Standorten – in Deutschland, Europa und Nordamerika. Für unsere Standorte in Europa brauchen wir eine klare Perspektive, wenn wir als Unternehmen der energieintensiven Grundstoffindustrie hierzulande klimaneutral produzieren wollen und gleichzeitig international wettbewerbsfähig bleiben müssen. Die Politik in Europa und insbesondere in Deutschland muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Und die Liste der Notwendigkeiten ist lang, sie reicht von Bürokratieabbau und beschleunigten Genehmigungsverfahren bis hin zu einer verlässlichen und wettbewerbsfähigen Energieversorgung. Wir brauchen ein klares Bekenntnis von Politik und Gesellschaft zu unserer Industrie, dem konkrete Taten folgen müssen.
„Wir haben unseren CO2-Fußabdruck bei Kupferkathoden nochmals deutlich reduziert und liegen weiterhin mehr als 50 % unter dem weltweiten Durchschnitt.“
— Inge Hofkens, COO
Stichwort Klimaneutralität: Unser Nordstern steht, wir wollen deutlich vor 2050 klimaneutral produzieren. Dass unsere Anstrengungen, wie die Elektrifizierung unserer Prozesse, die Dekarbonisierung unserer Hüttenanlagen oder die Umstellung unserer Stromlieferungen auf CO2-freie Quellen, Früchte tragen, zeigen unsere jüngsten Life-Cycle-Assessment-Resultate. Sie dokumentieren die Umweltauswirkungen von nunmehr sieben Produktgruppen der Aurubis. Danach haben wir z. B. unseren CO2-Fußabdruck bei Kupferkathoden seit 2013 um mehr als 35 % reduziert. Heute liegt dieser mehr als 60 % unter dem weltweiten Durchschnitt aller Kupferhütten. Für die weiteren Produktgruppen sind die Ergebnisse zum Teil noch beeindruckender: Bei Zinn unterbieten wir den weltweiten Durchschnitt sogar um 75 %. Das zeigt klar: Wir meinen es ernst mit dem Thema Dekarbonisierung. Weitere Bestätigung unserer Anstrengungen im Bereich Nachhaltigkeit erhielten wir im Oktober durch das Rating-Unternehmen EcoVadis. Hier zählen wir zu dem besten 1 % unserer Branche. Mit 78 von 100 Punkten im Bewertungskatalog hinsichtlich verantwortungsvoller Unternehmensführung hat sich Aurubis im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um fünf Punkte verbessert. Wir steigerten uns insbesondere in der Bewertungskategorie „Nachhaltige Beschaffung“. Zudem trugen die umfassenden Copper-Mark-Zertifizierungen der Aurubis-Standorte zu der höheren Punktzahl bei: Nach Pirdop (2021) sowie Hamburg und Lünen (2022) hat das belgische Werk in Olen als vierter Standort im Aurubis-Hüttennetzwerk im September 2023 das international anerkannte Gütesiegel für eine verantwortungsvolle Kupferproduktion erhalten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben im Geschäftsjahr 2022/23 ein operatives Ergebnis vor Steuern (EBT) von 349 Mio. € (Vj. 532 Mio. €) erzielt. Erneut war eine hohe Anlagenperformance unseres konzernweiten Hüttennetzwerks in Kombination mit wichtigen Ergebnistreibern wie deutlich gestiegenen Schmelz- und Raffinierlöhnen für Konzentrate, einer signifikanten Erhöhung der Aurubis-Kupferprämie und einer hohen Nachfrage nach Gießwalzdraht ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg. Die erheblichen finanziellen Auswirkungen aus der gegen Aurubis gerichteten kriminellen Handlungen haben jedoch dazu geführt, dass wir unser Geschäftsjahr mit einem Ergebnis weit unter dem hervorragenden Vorjahr schließen mussten. Nach unserer Einschätzung wurde durch die initiierten und teilweise bereits implementierten (Präventiv-) Maßnahmen zur Förderung der Prozess- und Werkssicherheit das Sicherheitsniveau von Aurubis bereits deutlich erhöht und die erfolgreiche Entwicklung unseres Unternehmens wird sich auch in den Ergebnissen der kommenden Jahre widerspiegeln. Mit Blick auf das laufende Geschäftsjahr prognostizieren wir daher ein operatives EBT zwischen 380 und 480 Mio. €.
„Die erfolgreiche Entwicklung wird sich in den Ergebnissen der kommenden Jahre widerspiegeln, für das laufende Geschäftsjahr prognostizieren wir ein EBT zwischen 380 und 480 Mio. €.“
— Rainer Verhoeven, CFO
Aurubis befindet sich im größten Transformationsprozess seiner Geschichte. Wir setzen auf Wachstum, machen unser Geschäft zukunftsfest und nutzen die Chance, aus Rückschlägen zu lernen, um gestärkt daraus hervorzugehen. Unser Unternehmen hat die Fähigkeiten, die Menschen und die Mittel, damit wir künftig noch mehr Metalle auf nachhaltige Weise produzieren, die die Welt auf dem Weg zur Dekarbonisierung so dringend benötigt. Das ist gut für uns, das ist aber auch gut für die Gesellschaft, in der wir wirtschaften, Steuern zahlen und sichere Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen.
Wir freuen uns, wenn Sie Aurubis auf diesem spannenden Weg weiter begleiten.
Roland Harings Dr. Heiko Arnold Inge Hofkens Rainer Verhoeven