zum Inhalt springen
Foto: Aurubis: der gesamte Vorstand läuft in Uniform und mit gelben Helmen auf ein Gelände

Unser Hüttennetzwerk macht uns stark

In jeder Krise liegt eine Chance: Aurubis steht in den Bereichen Arbeits- und Werkssicherheit vor großen Herausforderungen. Trotzdem bleiben wir auf Kurs mit unseren strategischen Investitionen in unser Kerngeschäft und in die Wachstumsmärkte der Zukunft. Aurubis ist ein starkes Unternehmen mit zukunftsweisenden Produkten, einer soliden Finanzkraft und einem weltweit einzigartigen, nachhaltigen und effizienten Hüttennetzwerk. Im Interview blicken der Vorstandsvorsitzende Roland Harings, Finanzvorstand Rainer Verhoeven, Produktionsvorständin Multimetal Recycling Inge Hofkens und Produktionsvorstand Custom Smelting & Products Heiko Arnold auf das abgelaufene, ereignisreiche Geschäftsjahr zurück und geben einen Ausblick in die Zukunft.

Herr Harings, nach Covid, Flutkatastrophe in Stolberg, Energiekrise und Cyber-Attacke in den vergangenen Jahren musste Aurubis 2023 mit schweren Arbeitsunfällen und kriminellen Handlungen umgehen. Wie steuert man ein Unternehmen in solchen Zeiten?

Roland Harings Mit Ruhe und mit Zuversicht. In den Bereichen Arbeitssicherheit und Werkssicherheit stehen wir vor großen Herausforderungen, die wir jetzt konsequent angehen. Trotz der Vorfälle, bleiben wir als Unternehmen auf Kurs und setzen unsere ehrgeizige Wachstumsstrategie konsequent weiter um. Wir stärken unsere Position als nachhaltiges Hüttennetzwerk, schaffen die Grundlage für weiteres Wachstum im Recyclingbereich und treiben die Dekarbonisierung des Unternehmens weiter voran. Unser strategischer Investitionsplan ist mit 1,7 Mrd. € der größte, den Aurubis seit langem gesehen hat. Bei der Umsetzung der Projekte machen wir gute Fortschritte. Dies vermittelt Stärke und Zuversicht insbesondere in diesen stürmischen Zeiten – gerade auch in die Belegschaft.

Wie geht es bei der Werkssicherheit weiter?

Roland Harings Wir konzentrieren uns bis Ende des Jahres auf die juristische und forensische Aufarbeitung der kriminellen Handlungen, aber darüber hinaus auch sehr stark auf die langfristige Verbesserung unserer Prozess- und Werkssicherheit. Wir werden deshalb 2024 ein gruppenweit überarbeitetes Sicherheitskonzept einführen, mit dem wir sicherstellen, dass unser Sicherheitsniveau dauerhaft konzernweit erhöht ist. In jeder Krise liegt eine Chance. Und diese nutzen wir!

 

Welche Rolle spielt die Arbeitssicherheit im Unternehmen?

Roland Harings Sicherheit am Arbeitsplatz hat für uns seit jeher höchste Priorität. In den letzten Monaten ist die Bedeutung des Arbeitsschutzes noch stärker in den Vordergrund getreten. Aufbauend auf den Anstrengungen und Erkenntnissen aus den Sofortmaßnahmen in Hamburg nach den Unfällen haben wir mit Hilfe externer Unterstützung eine tiefgehende, mehrstufige Anlayse auf Werks- und Gruppenebene gestartet, um unsere Verbesserungspotenziale systematisch zu heben und eine langfristige Strategie und Vision unserer künftigen Arbeitssicherheit zu entwickeln. Sicherheit ist ein konzernweites Versprechen – und deshalb werden wir das Arbeitssicherheitsniveau an allen Standorten überprüfen und erhöhen. Hierfür bauen wir eine Sicherheitskultur auf, die Arbeitssicherheit und Werkssicherheit gleichermaßen einschließt.

Foto: Aurubis: Portraitfoto Vorstandsmitglied Roland Harings, CEO

„Wir bleiben als Unternehmen auf Kurs und setzen unsere ambitionierte Wachstumsstrategie konsequent weiter um.“

— Roland Harings, CEO

Wie blicken Sie in die Zukunft?

Roland Harings Ich blicke optimistisch in die Zukunft. Wir sind ein globaler Anbieter von Metallen, die für den Wandel zu einer nachhaltigeren Weltwirtschaft unerlässlich sind. Wir haben sehr gute Zukunftsaussichten, weil wir unser Geschäftsmodell kontinuierlich durch organische Wachstumsprojekte stärken und unser einzigartiges Hüttennetzwerk mit zusätzlichen Prozessen und Verarbeitungsmöglichkeiten stetig erweitern, unsere Produktivität erhöhen und die Effizienz steigern. Gleichzeitig treiben wir die Digitalisierung unserer Produktion weiter voran, bereiten unsere Anlagen auf neue Energieträger vor und verfolgen unser gestecktes Ziel einer nachhaltigen, CO2-neutralen Multimetall-Produktion bis 2050.

 

Herr Verhoeven, wie bewerten Sie das ­Geschäftsjahresergebnis und seine Belastung durch die kriminellen Handlungen?

Rainer Verhoeven Die gegen Aurubis gerichteten kriminellen Handlungen führten zu einem hohen Fehlbestand an Metallen, der das Ergebnis im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022/23 erheblich belastet hat. Das operative Ergebnis vor Steuern lag mit 349 Mio. € am oberen Ende des angepassten Prognosekorridors von 310 bis 350 Mio €. Wir konnten somit trotz der erheblichen finanziellen Auswirkungen der kriminellen Handlungen ein passables Jahresergebnis erzielen.

 

Welchen Beitrag leisten die Wachstumsprojekte und welchen Anforderungen müssen sie entsprechen, damit sie in die Finanzierungsstrategie passen?

Rainer Verhoeven Bereits 2030 soll das kumulierte EBITDA aus den Wachstumsprojekten das Investitions­volumen übersteigen. Wir nutzen das Potenzial an allen Standorten mit gezielten Investitionen in unsere Prozesse und Anlagen für ein profitables Wachstum. Die Anforderungen hierfür sind klar definiert: Die Investitionsprojekte müssen einen nennenswerten und nachhaltigen Beitrag zu den strategischen Zielen leisten, unsere Verarbeitungsfähigkeiten und -kapazitäten verbessern und dabei werthaltige Synergien zu unseren bestehenden Prozessen schaffen. Der Wertbeitrag jeder einzelnen Wachstumsinvestition muss positiv auf unsere wichtigste Konzernzielgröße, den operativen Return on Capital Employed (ROCE), einzahlen und sich gleichzeitig an unseren Nachhaltigkeitszielen messen lassen. Unsere starke Bilanzstruktur und die gute Erlössituation einhergehend mit einem starken Cashflow schaffen die Grundlage für die Finanzierung unserer attraktiven Wachstumsprojekte. Diese erfolgt weitgehend aus überwiegend eigenen Mitteln und bestehenden Kreditlinien, die wir teilweise an die Bewertung unserer Nachhaltigkeitsleistung durch die Ratingagentur EcoVadis gekoppelt haben. Im diesjährigen CSR-Ranking (Corporate Social Responsibility) von EcoVadis haben wir uns weiter verbessert und gehören zu dem besten 1 % der Unternehmen in der Nichteisenmetallindustrie weltweit.

 

Wie stellen Sie sicher, dass die Strategieprojekte diszipliniert und konsequent umgesetzt werden?

Rainer Verhoeven Wir haben hierfür klare, finanzielle Kriterien sowie eine transparente, lebendige Governance und ein proaktives Risikomanagement eingesetzt. Von der ersten Idee bis zur Fertigstellung eines Projekts entwickeln und monitoren wir unsere Vorhaben fortlaufend anhand definierter Anforderungen und Entscheidungskriterien.

 

Wie erfüllen Sie Erwartungen der Aktionäre und Investoren?

Rainer Verhoeven Durch die kriminellen Handlungen gegen Aurubis, aber auch durch die geopolitischen Einflüsse, unterlag der Aktienkurs deutlichen Schwankungen. Wir sind aber überzeugt, dass sich unsere Investition in die Zukunft langfristig auszahlt. Aurubis wird bis Ende des Geschäftsjahres 2025/26 in strategische Investitionsprojekte rund 1,7 Mrd. € investieren. Diese werden bereits ab dem Geschäftsjahr 2024/25 positive Ergebnisbeiträge liefern. Wir planen, diese aktuellen und auch zukünftige Projekte weiterhin überwiegend aus dem laufenden Cashflow zu finanzieren. Bereits im Dezember 2022 haben wir bekannt gegeben, dass der beschleunigte Wachstumskurs künftig stärker von einer flexibleren Dividendenausschüttung getragen werden soll. Gleichzeitig sollen aber auch unsere Aktionäre angemessen am Unternehmensgewinn partizipieren. Daher schlagen wir der Hauptversammlung für das Geschäftsjahr 2022/23 eine Dividende von 1,40 € vor. Dies zeigt, dass wir eine ausgewogene Kapitalallokation anstreben, die ein selbst finanziertes Wachstum und eine angemessene Dividende ermöglicht und damit langfristige Werte schafft – auch für unsere Aktionäre und Investoren.

Foto: Aurubis: Portraitfoto Vorstandsmitglied Rainer Verhoeven, CFO

„Eine robuste Bilanz, eine gute Erlössituation und ein starker Cashflow schaffen die Voraussetzung für unser strategisches Wachstum.“

— Rainer Verhoeven, CFO

Frau Hofkens, welche Bedeutung hat der Neubau des Werks im US-Bundesstaat Georgia für Aurubis?

Inge Hofkens Das Werk hat eine enorm wichtige Strahlkraft – nach innen und nach außen. Dies zeigte auch der Besuch der First Lady Dr. Jill Biden im November. Wir halten an unserer Wachstumsstrategie fest und beweisen, dass wir ein Großprojekt wie Aurubis Richmond erfolgreich umsetzen. Das Werk und sein Team wachsen rasant. Wir haben nun rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, die mit großer Begeisterung und viel Enthusiasmus unsere Vision mitgestalten möchten: Vorreiter im Land zu werden für das Recycling von Wertstoffen zu werthaltigen Metallen wie Kupfer, Nickel und Zinn.

Wo steht Aurubis Richmond im Herbst 2023?

Inge Hofkens Das Projekt schreitet gut voran. Der US-Markt wächst sehr schnell und bietet uns ausgezeichnete Möglichkeiten. Es war deshalb richtig, das zweite Modul früher als ursprünglich geplant zu starten und die Wertschöpfungskette jetzt schon vom Blisterkupfer bis zum Draht weiterzudenken. Wir sind in die USA gegangen, um zu bleiben – und auch dort zu wachsen.

 

Welche Fähigkeiten zu Wachstum kennzeichnet Aurubis?

Inge Hofkens Wir verfügen nicht nur über die richtige Strategie, sondern auch über das Know-how von gut ausgebildeten, talentierten Expertinnen und Experten. Aurubis erzielt profitables Wachstum in Bereichen, in denen das Unternehmen bereits seit über 150 Jahren tätig ist und die, auch durch das Wissen der neueren Standorte im Konzern, stetig weiterentwickelt werden: ob in der Konzentratverarbeitung, im Recyclingbereich oder im Produktgeschäft. Wir optimieren unsere Materialflüsse innerhalb unseres Hüttennetzwerks kontinuierlich weiter, um mehr vermarktbare Metalle zu gewinnen und aus allen Einsatzmaterialien werthaltige Produkte zu erzeugen. Wir reduzieren Abfallströme, verfolgen einen Zero-Waste-Ansatz und sind damit heute schon ein Eckpfeiler der europäischen Kreislaufwirtschaft.

 

Woran bemisst sich die Vorreiterrolle von Aurubis in Sachen Nachhaltigkeit?

Inge Hofkens Wir sind führend in unserer Industrie im Bereich der Nachhaltigkeit. Das zeigen unsere Kennzahlen: Wir produzieren mit geringeren CO2-Bilanzen als im Branchendurchschnitt. Die Copper-Mark-Zertifizierungen unserer Produktionsstandorte belegen, dass wir nachhaltig produzieren und unsere Verfahren dies ermöglichen. Nach Pirdop, Hamburg und Lünen hat 2023 das belgische Werk in Olen als vierter Hüttenstandort dieses Gütesiegel erhalten, Aurubis Stolberg und Aurubis Beerse sind in den Zertifizierungsprozess gestartet. Wie attraktiv wir mit unserem Nachhaltigkeitsansatz sind, zeigt auch hier das große Interesse auf dem US-Markt an Aurubis.

Foto: Aurubis: Portraitfoto Vorstandsmitglied Inge Hofkens, COO

„Wir reduzieren Abfallströme, ­verfolgen einen Zero-Waste-­Ansatz und sind damit ein Eckpfeiler der europäischen Kreislaufwirtschaft.“

— Inge Hofkens, COO

Herr Arnold, was macht das Hüttennetzwerk von Aurubis aus?

Dr. Heiko Arnold Das Hüttennetzwerk von Aurubis ist weltweit einzigartig und macht uns als Unternehmen stark. Jedes Werk agiert in Eigenständigkeit und Autonomie als Unternehmen. Gemeinsam nutzen wir die Potenziale zum Wohl des Gesamtunternehmens, indem wir Materialströme optimieren und uns gegenseitig unterstützen. Wir investieren lokal in die Entwicklung neuer Technologien, die dann auch übertragbar sind. Wir erforschen und fördern den Einsatz alternativer, kohlenstoffneutraler Energieträger, um so umweltschonend Kostenvorteile für das ganze Unternehmen verfügbar zu machen. Dies belegen z.B. der Test zum Einsatz von Ammoniak als kohlenstoffarmem Energieträger in der Gießwalzdraht-Produktion in Hamburg (siehe hier), die Senkung von Kosten und Verbrauch fossiler Brennstoffe durch das Projekt UHTH in Lünen (siehe hier) oder das Projekt Industriewärme 2.0 (siehe hier), durch das weitere bis zu 100.000 t CO2-Emissionen in Hamburg vermieden werden, indem unsere Produktionsabwärme einer nachhaltigen Fernwärmeversorgung dient.

 

Wohin entwickelt sich das Hüttennetzwerk?

Dr. Heiko Arnold Jeder Standort in jedem Land hat seine spezifischen Stärken, Anforderungen und Rahmenbedingungen – sei es in Deutschland, Bulgarien oder Belgien. Mit jeder Erweiterung des Hüttennetzwerks ist in den letzten Jahren auch die Kompetenz, Produktivität und Effizienz von Aurubis gewachsen. Die Hütten arbeiten vernetzt, helfen sich gegenseitig, folgen jedoch auch einem eigenständigen, individuellen Entwicklungsplan, z. B. bei der Digitalisierung. Unsere Technologieführerschaft in der Metallurgie hilft uns bei der Dekarbonisierung der Metallproduktion an allen Standorten, und dabei, zusätzliche Metallverarbeitungsschritte zu entwickeln, um künftig beispielsweise wertvolle Zwischenprodukte verarbeiten und ausbringen zu können, die bisher an Mitbewerber verkauft werden mussten.

Foto: Aurubis: Portraitfoto Vorstandsmitglied Dr. Heiko Arnold, COO

„Das Hüttennetzwerk von Aurubis ist weltweit einzigartig und macht uns als Unternehmen stark.“

— Dr. Heiko Arnold, COO

Wie zahlen die Wachstumsprojekte auf das ­Hüttennetzwerk ein?

Dr. Heiko Arnold Durch unsere zahlreichen Projekte an allen Standorten optimieren wir die Stoffströme und entwickeln die Stärken der einzelnen Standorte kontinuierlich weiter – und damit unser weltweit einzigartiges integriertes Hüttennetzwerk. Projekte wie ASPA und BOB sind passgenau für die Standorte in Olen und Beerse, ein Projekt wie CRH kann wiederum am besten in Hamburg entwickelt werden. Es gibt kein Ranking unter den Werken, aber auch keine Einheitslösung. Gemeinsam bilden alle Standorte ein funktionierendes, zukunftsweisendes Gefüge, das kosteneffizient und nachhaltig mehr Metalle für die Transformationsaufgaben der Zukunft generiert.